70 Englischer Kanal 03.03.2010

70 Englischer Kanal 03.03.2010 50 40 N 000 37 W

Um Mitternacht bin ich auf der Bruecke, aber der Dritte Offizier uebergibt
mir die Wache nicht, da er von 00.10 bis 00.20 eine Kursaenderung mit
Einfaedelung in westgehenden Schiffsverkehr selbst machen will. Das ist zwar
ungewoehnlich, da 10 Minuten fuer die Vorbereitung dicke ausreichen, aber
dass er das Manoever selbst faehrt ist absolut in Ordnung. Derweil gibt es
fuer mich kaum was zu tun, ich mache zwar eine Radarpeilung, aber dann
traegt er ploetzlich dem Kadetten auf, eine GPS-Position zu plotten, dann
kann ich gar nichts machen, ausser das Zweitradar korrekt einzustellen: Weil
es nicht regnet, drehe ich den Regenfilter auf Null & den Seegangsfilter
soweit runter, dass das thermische Grundrauschen auftaucht. Unser Schiff
platziere ich auf dem Radar so, dass ich mit dem naechsten Kurs moeglichst
weit vorausgucken kann. Nebenbei gucke ich auf unseren Ruderlagenanzeiger &
als ich sehe, dass der Dritte mit einem sogenannten Tiller bei unserer
Geschwindigkeit von knapp 20 Knoten 10 Grad Ruder legt muss ich
einschreiten. Denn wir haben ein Hochleistungsruder („Becker-Ruder“) & darum
sollte man nicht mehr als 5 Grad Ruder legen. Die wirkenden Kraefte sind
sonst einfach zu gross. Ich lasse ihn also die Ruderlage auf 5 Grad
reduzieren, dennoch konnte ich merken, dass seine Handlung der Hauptmaschine
nicht guttat: Obwohl wir uns auf der Bruecke ca. 9 Stockwerke ueber der
Maschine befinden, spuere ich, dass sich Schiffsvibration & Grundgeraeusch
(wird tiefer) aendern. Wir haben grosses Glueck gehabt, dass der
Wellengenerator nicht abgesprungen ist, sonst haetten wir Stromausfall
gehabt. Und das ist nicht gut, vor allem nicht in einer der meistbefahrenen
Schiffahrtsstrassen der Welt.
Ich kann dann um die Wache uebernehmen. Ueber Funk hoere ich die
Verkehrsueberwachungsstelle „Dover Coastguard“, die mit der „Bremer Reeder“
kommuniziert. Die faehrt mit 7 Personen & Windmuehlen von Emden nach
Montoir. Kurze Zeit spaeter gebe ich unsere entsprechende Meldung an Dover
Coastguard ab. Dover selbst liegt um 0142 Uhr 7 Meilen nordwestlich von uns,
selbst nun bei Nacht kann ich die weissen Klippen erkennen. Dover lebt glaub
ich im Rhythmus der Kanalfaehren. Auf die muss ich natuerlich auch noch
aufpassen.
Navigatorisch habe ich darueberhinaus die Aufgabe, 5 Schiffe zu ueberholen.
Unsere Fahrspur ist zwar hier ueber 2 Meilen breit, aber in einer Stunde
passieren wir die Sandbank Varne. Die ist durch Feuerschiffe & Tonnen
markiert, sodass sich die hohle Gasse, durch die wir kommen, auf 3000 Meter
verengt. Hoert sich zwar viel an, aber wegen der o.g. anderen Schiffe ist
das gar nicht so viel. Dahinter knickt die Spur nach steuerbord ab. Um keine
Zeit zu verlieren lasse ich die hinteren drei Schiffe rechts von mir liegen
& fahre dann an die aeussere Grenze der Fahrspur. Hier muss ich allerdings
aufpassen, die Grenze nicht zu ueberfahren. Es ist zwar tief genug usw, aber
das Gebiet wird streng ueberwacht von Dover Coastguard & manchmal verschickt
die Behoerde auch Bussgeldbescheide (meist vierstellige Pfundbetraege). Die
vorderen beiden Schiffe bleiben dann links von uns, wir ziehen dran vorbei &
aendern unseren Kurs, ohne um andere Fahrzeuge herumfahren zu muessen.
Spaeter muessen wir noch viele andere Fahrzeuge ueberholen, wir sind einfach
zu schnell, fahren seit langem zum ersten Mal wieder mit voller
Geschwindigkeit, um rechtzeitig in Vigo anzukommen. Um 4 Uhr ist unsere
Position 50°39,8’N 000°36,7’E, der Erste Offizier ist noch nicht da. Um
04.08 peile ich den Leuchtturm Royal Sovereign auf dem Radar mit 318 Grad,
der Abstand betraegt 6,9 Meilen, um diese Zeit aendere ich wieder den Kurs.
Nun ist auch der Chiefmate da, er faehrt weiter & ich kann schlafen gehen.
Beim Leuchtturm wette ich darauf, dass er nach einem dort untergegangenen
Schiff benannt wurde. Dies war ein Versuch einer Art Live-Berichterstattung.
Es ist wohl verstaendlich, dass ich waehrend der Wache nicht formulieren
konnte, aber aus kurzen Notizen, Seekarte usw habe ich es nun geschrieben.

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